Oma war mein Mutterersatz – Mutterliebe – Kapitel 3 – von Marion Prinz


Marion Prinz mit ihrer Oma Hedwig

Marion Prinz mit ihrer Oma Hedwig

Meine Schwester und ich waren Schlüsselkinder, denn unsere Eltern waren beide berufstätig und arbeiteten miteinander in der gleichen Firma.
Gegessen wurde bei der Oma mütterlicherseits.  Unsere Oma hatte einen Bauernhof. Einen kleinen Bauernhof, so wie es damals üblich war, mit Kühen, Schweinen, Hühnern, Enten, Hasen und  natürlich auch mit Katzen. Gepieselt wurde auf dem Misthaufen und alles andere auf dem Plumpsklo verrichtet.
Mit Oma Hedwig fühle ich mich sehr verbunden. Sie war  für mich mein Zuhause und meine Tankstelle, wenn ich Probleme hatte.
Meine Oma hat mich so akzeptiert, wie ich bin und war immer für mich da und unterstützte mich, so gut sie konnte. Unser Ritual war das gemeinsame Tee trinken. In die Teekanne gab sie immer zwei Beutel mit schwarzen Tee und einen Beutel Pfefferminz rein. Während der Inhalt der Kanne sich leerte, haben wir uns unterhalten, das heißt, ich habe geredet und meine Oma hat zugehört.

Als ich mich von meinem ersten Ehemann trennte, war ich schwanger gewesen. Aus Scham versagt zu haben, hat niemand aus meiner Familie, außer die Oma, darüber Bescheid gewusst.
Ich war alleine und habe mich sehr einsam gefühlt. Existenzsorgen und Verlustängste plagten mich.  Die ganze Schwangerschaft habe ich weinend verbracht. Den größten Raum habe ich mit meinen Tränen gefüllt. Ich konnte nichts essen und in der Nacht nicht schlafen. Während ich mich so einsam und verlassen fühlte, stellte ich mir immer vor, dass  irgendjemand auf mich zukommt und mich fragt: „Wie geht es dir?“. Woher sollen denn die Anderen wissen, dass es mir nicht gut geht, wenn ich es nicht sage!
In dieser Zeit träumte ich von meiner Oma. Wir waren in ihrer Küche, ich verabschiedete mich gerade. Meine Oma kam auf mich zu und umarmte mich ganz fest, es hat mir so gut getan, berührt zu werden.
Am nächsten Tag besuchte ich meine Oma. In ihrer Küche wiederholte sich mein Traum. Meine Oma kam auf mich zu und hat mich fest umarmt. Seitdem wird sich bei den Prinzen und Co. umarmt.

Warum also soll jetzt die Hedwig-Oma an meiner Kuckuckskind-Karriere mit in der Verantwortung stehen?
Hedwig stammt aus einer großen Bauernfamilie. Während des 2. Weltkrieges, die Männer waren alle an der Front, wurden Kriegsgefangene als Feldarbeiter verpflichtet. In den Polen Thaddäus hat sie sich verliebt und wurde von ihm schwanger. Sich mit dem Feind einzulassen und gar schwanger zu werden, stand unter schwerer Strafe. Die Kriegsgefangenen wurden oft hingerichtet und die Frauen kamen in ein Arbeitslager. Im Dorf wurde Hedwig versteckt und das Ereignis wurde verheimlicht. Sie hatte Schande über ihre Familie gebracht und wurde von ihren Eltern verstoßen. Ihre Tochter, meine Mutter wuchs bei ihren Großeltern auf.

Als meine Mutter mit 16 Jahren mit mir schwanger wurde, hatte meine Oma auf eine Heirat gedrängt, damit es nicht nochmal ein uneheliches Kind gibt. Ihr Wunschschwiegersohn war mein Papa.
Die Briefe, die mein biologischer Vater an meine Mutter schrieb, hatte die Oma heimlich in ihrem Holzofen verbrannt. So bin ich ein Kuckuckskind geworden!

Im nächsten Kapitel erzähle ich von meiner Mutter und dann wird es deutlich, warum meine Geschichte den Titel „Mutterliebe“ trägt.

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Serientitelbild zu

Mutterliebe – von Marion Prinz

Fortsetzung: Ich wollte du wärst tot! – Mutterliebe – Kapitel 4

Voriges Kapitel: Der Tod ist mein Begleiter – Mutterliebe – Kapitel 2

Erstes Kapitel: Du bist ein Kuckuckskind! – Mutterliebe

Über Max Kuckucksvater

Seit Anfang 2011 weiß ich nun, dass mein Sohn aus erster Ehe nicht mein leiblicher Sohn ist. Da ich weder im Netz, noch irgendwoanders Hilfe fand, gründete ich dieses Blog. Dieses Blog verbindet Kuckuckskinder, Scheinväter, Väter und Kuckucksmütter untereinander, stellt Hilfsthemen bereit. Zusätzlich klärt es die Öffentlichkeit über den stattfindenden Identitätsraub und Betrug auf, damit wir in Zukunft dieses Leid verhindern können. Der obligatorische Vaterschaftstest ab Geburt (OVAG) ist das einzige Mittel, welches das Kind sicher vor der Fälschung seiner Identität bewahren kann. Seither entstanden sehr viele Kontakte und Freundschaften zu Scheinvätern, Kuckuckskindern und anderen Betroffenen sowie Unterstützern. Der Austausch mit ihnen half mir dabei, meine Trauer zu verarbeiten. Und: Ja, ich lebe tatsächlich in Kolumbien. Inzwischen sind meine Frau und ich stolze Eltern einer Tochter. https://www.facebook.com/max.kuckucksvater
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4 Antworten zu Oma war mein Mutterersatz – Mutterliebe – Kapitel 3 – von Marion Prinz

  1. Manfred W. schreibt:

    Unfassbar! Die Person, zu der das engste Vertrauensverhältnis bestand, beging den größten Verrat. Die Oma verbrannte die Briefe ihres Vaters. In einem anderen Kapitel steht, dass dieser sich mit 21 Jahren das Leben nahm.
    Ich bin immer wieder negativ erstaunt, wie Menschen es sich herausnehmen, sich zu Herren und zum Schicksal anderer Menschen aufzuspielen.

  2. Martina G. schreibt:

    Liebe Marion. Ich habe Deinen Bericht bis hier her gelesen und habe schon Gemeinsamkeiten, außer der, daß auch ich ein Kuckuckskind bin, entdeckt. Auch meine Mutter wollte sich ein paar Mal das Leben nehmen, und auch wir Kinder waren jedes mal mit in der Wohnung anwesend, wenn sie es versucht hatte. Sie muss damals sehr verzweifelt gewesen sein! Unsere Oma wohnte mit bei uns zuhause, weil unsere Mutter immer beruflich sehr eingespannt war. Omi hatte eine kleine Wohnstube, in der sie auch schlief. Sie war eigentlich meine Mutti, nicht biologisch, aber vom Gefühl her.
    Ich bin schon gespannt, wie es bei Dir weiterging. Durch deine Geschichte fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt.
    L.G. Martina

  3. Petra Scholz schreibt:

    Wie sich Verhaltensweisen und Leid doch unbewusst durch die Generationen ziehen.
    Gerade auch dann, wenn Dinge unausgesprochen bleiben, mündet dies in weiteres Leid und führt zu Zweifeln, die sich durch bestimmtes Verhalten und dem familiärem Klima entpuppen.
    Da damals Kinder ohnehin keine Lobby hatten und weniger ernst genommen wurden, blieb einem als Kind nichts anderes übrig, erst einmal zu verdrängen und ebenso zu schweigen, mit dem Gefühl, das irgend etwas nicht stimmt.

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