Ich leite die Beratungsstelle für AIDS und sexuell übertragbare Infektionen im Gesundheitsamt Dresden. Heute kam ein Mann in die Beratungsstelle und wollte einen HIV-Test durchführen lassen. Im Gespräch zum Test eröffnete er mir eine dieser Geschichten, die für mein Team und mich alltäglich sind:
Er war zur Seite gesprungen. Auf einem Klassentreffen war er auf seine erste Liebe gestoßen, die beiden hatten sich gut unterhalten, waren sich auch nach den vielen Jahren noch sympatisch. Und da sie dabei Alkohol tranken, fielen irgendwann die Hemmungen und sie verbrachten die Nacht miteinander. Er sagte, dass das ein schönes Erlebnis war, aber nun plagt ihn das schlechte Gewissen.
Irgendwann – es war mehrere Wochen nach dem geschilderten Ereignis – fiel sein Blick auf ein AIDS-Plakat. Zunächst dachte er sich nicht viel dabei. Aber als er die Botschaft darauf las, die von einer HIV-infizierten Frau sprach, die sich über heterosexuelle Kontakte ansteckte, bekam er plötzlich Angst. Was ist, wenn er sich bei diesem einen Seitensprung auch infiziert hat? Er versuchte sich zu beruhigen: So was passiert doch sehr selten. Aber der Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Und so sitzt er nun hier in der Beratungsstelle, mir gegenüber, hat Angst und möchte sich testen lassen.
Solche Geschichten sind in der Beratungsstelle, in der ich arbeite, alltäglich. Sie sind auch keinesfalls auf Männer beschränkt. Kuckucksväter wissen, dass auch Frauen fremdgehen. Daraus kann ein Kind entstehen. Aber durch einen ungeschützten Sexualkontakt kann auch anderes entstehen als eine Schwangerschaft. Es gibt Infektionen, die auf diesem Weg übertragen werden. Sie heißen dementsprechend auch „Sexuell übertragbare Infektionen“ (die verbreitete Abkürzung lautet STI = engl.: Sexually Transmitted Infection.)
Die bekannteste STI ist die HIV-Infektion. Sie kann auch beim heterosexuellen Kontakt übertragen werden – und zwar sowohl vom Mann auf die Frau als auch umgekehrt. Da die Infektionen jedoch meist unter Männern, die Sex mit Männern haben, weitergegeben werden, nehmen viele heterosexuelle Frauen und Männer die Infektionsgefahr nicht so ernst. Und auch ein Kuckucksvater wird sich eher mit Fragen zum Kind befassen, als eine HIV-Infektion in den Blick zu nehmen. Aber vielleicht sollte das eine das andere nicht ausschließen …
Folgende Informationen sind wichtig, manchmal aber nicht bekannt:
- Ein Test kann erst zwölf Wochen nach einem riskanten Ereignis eine Infektion definitiv ausschließen. Man sollte also ein knappes Vierteljahr warten. Die Weitergabe des Virus kann jedoch sofort erfolgen.
- Ungeschützter Sex mit einer HIV-infizierten Person kann zu einer Infektion führen, muss aber nicht. Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit sogar größer, dass es nicht passiert. Das bedeutet auch, dass die Partnerin infiziert sein kann, obwohl der eigene Test (noch) negativ ist.
- Eine Übertragung der Infektion von der Mutter auf das Kind geschieht fast ausschließlich während der Geburt. Es ist mittlerweile gut möglich, solch eine Infektion durch Medikamentengabe zu verhindern. Das setzt aber voraus, dass die Mutter um ihre Infektion weiß.
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Dr. Matthias Stiehler
Diplomtheologe, Erziehungswissenschaftler
Psychologischer Berater im Gesundheitsamt Dresden, Leiter der dortigen Beratungsstelle für AIDS und sexuell übertragbare Infektionen
Vorsitzender des Dresdner Instituts für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft e.V.
Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V.
Mitherausgeber des Ersten und Zweiten Deutschen Männergesundheitsberichts
Autor von „Der Männerversteher. Die neuen Leiden des starken Geschlechts“ (Verlag C. H. Beck München 2010) und „Väterlos. Eine Gesellschaft in der Krise“ (Gütersloher Verlagshaus 2012).
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es folgt: Chlamydien und Tripper sind die Stars
Artikelübersicht der Serie: „AIDS & Co.„
Ich habe in den letzten Jahren erlebt, dass bei Geburten während der ersten Wehen im Krankenhaus u.a. ein Aids-Test gemacht wurde. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit einer Infektion des Neugeborenen, hat natürlich aber keinerlei Einfluss auf Übertragung innerhalb einer untreuen Partnerschaft.
Auf wessen Veranlassung hin? Wussten von dem Test beide Elternteile? Hatte es das Krankenhaus ohne das Wissen der Eltern gemacht oder hatte die Mutter es ohne das Wissen des Vaters den HIV-Test maxhen lassen?
Der Test war Standardprozedur im Krankenhaus, also wussten alle, dass er gemacht wurde, und auch ohne irgendeinen Anlass
Ist das inzwischen bei allen Krankenhäusern Standard?
Das weiß ich leider nicht. Vielleicht kannst du das durch Anruf bei jemandem, der es wissen muss (Krankenhaus, Gynäkologe, Hebamme, Krankenkasse) in Erfahrung bringen, falls es weiter interessiert (und auch, auf was da weiter getestet wird). Ich fand es damals gut, zu wissen, dass das bei allen getestet wird, denn falls durch unerfolgten Test Prophylaxe verhindert wird, leiden ja die Kinder darunter.
Vielen Dank für die Antwort. Ich werde bei Dr. Matthias Stiehler – dem Autoren dieses Artikels – nachragen.