Ich lasse jetzt die Bombe hochgehen – Anatomie der Kuckucksgeschichte von Yelka Schmidt – Teil 1


„Ja, ich weiß, ich bin ein Schwein.“ Sie schaut mich traurig und fragend zugleich an. Ihre Worte treffen mich. Sie machen mich wütend. In mir kochen Vorwürfe, Anschuldigungen, Beleidigungen hoch, doch ich kann sie nicht äußern. Stattdessen weine ich drauf los. Das wollte ich vermeiden. Ich wollte stark sein, ihr zeigen wer ich bin und was ich von dieser ganzen Geschichte halte. Doch ich weine. Irgendwann dann doch Worte. „Weißt Du eigentlich was Du mir damit angetan hast? Ich hielt dieses scheiß Ergebnis in Händen und es zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Kannst Du Dir vorstellen wie es war Papa das mitzuteilen?“ Stille. Sie starrt mich an. Ich schaue schluchzend zu Boden. Ich bin immer noch wütend und völlig überrascht. Sagte sie wirklich, sie freuen sich über das Ergebnis und hätten bereits überlegt die Familie einzuladen, um es offiziell zu feiern? Hat sie die Post vom Amtsgericht wirklich nicht verstanden? Ich sage ihr, dass es ein Verfahren vor dem Amtsgericht geben wird. Der Termin werde in den nächsten Tagen bekannt gegeben. Sie fragt mich, was das bedeuten würde und was denn auf sie zukommen würde. Ich erkläre es ihr, langsam, doppelt, möglichst einfach, das habe ich in den letzten Jahren gelernt. Der Plan steht. Er steht, seitdem ich das erste Mal bei meinem Anwalt war und er fragte: „Wollen Sie Klärung und gut oder wollen Sie die komplette Bombe hochgehen lassen?“ Ich entschied mich für die Bombe.

Mein Name ist Yelka*. Ich bin 30 Jahre alt und seit März 2011 weiß ich, dass ich ein Kuckuckskind bin.

*Yelka Schmidt ist ein Pseudonym

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Kuckuckskind Yelka Schmidt erzählt von ihren Erlebnissen auf dem Weg zur Klärung der Vaterschaft und den Folgen

Anatomie der Kuckucksgeschichte von Yelka Schmidt

Fortsetzung in „Bastardkinder haben in meiner Familie nichts verloren“ – Anatomie der Kuckucksgeschichte von Yelka Schmidt – Teil 2

Eine Auflistung aller Teile dieser Serie findest Du hier.

Über Yelka Schmidt

Geboren im Mai 1981, seit März 2011 weiß ich, dass ich ein Kuckuckskind bin. Ich will kein Tabu sein. Ich lebe. Ich lache. Ich liebe. Ich spreche. Über mich. Über Dich? Miteinander? Das würde mich freuen. Ich schreibe. Meistens drauf los. Das befreit mich. Das hilft mir Aktuelles oder Vergangenes zu begreifen und vielleicht auch zu verarbeiten.
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7 Antworten zu Ich lasse jetzt die Bombe hochgehen – Anatomie der Kuckucksgeschichte von Yelka Schmidt – Teil 1

  1. Pingback: HEUTE!!! – Mona Lisa – ZDF – Reportage mit Kuckucksvater Sammy und Kuckuckskind Yelka Schmidt | kuckucksvater

  2. Manu schreibt:

    Ich bin von den Socken. 58 Jahre war ich im Glauben das Kind meiner Eltern zu sein. Bis bei einem Gesundheitscheckup das Ergebnis besprochen wurde und mich mein Arzt auf meine selten Blutgruppe AB ansprach. Ich antwortete völlig Ahnungslos:Die Blutgruppe meines Vaters war wohl noch seltener er hatte 0 negativ. Mein Arzt schaut auf und fragt: Was hatte ihre Mutter – ich antworte Blutgruppe A. Dann, so der Arzt kann der Mann mit Blutgruppe 0 nicht ihr Vater sein. Sie sind ein Kuckuckskind ihrer Mutter. Das habe ich gerade erst am Freitag erfahren.
    Meine Eltern sind beide vor über 10 Jahren gestorben. Ich kann keinen mehr fragen. Ich habe meine Schwester und meinen Bruder informiert. Sie haben beide Blutgruppe A wie die Mutter. Nur ich habe AB und habe ab sofort Halbgeschwister welche sich von mir abkapseln und meine Halbschwester sogar das Erbteil herausfordern weil ich ja nicht vom „Vater“ wäre.

    Das hätte ich nie gedacht, das mein Leben noch mal so aus den Fugen geraten würde.
    Nie hat meine Mutter erwähnt, dass ich von einem anderen Mann wäre. Ich kennen seinen Namen nicht und werde es nie erfahren wer mein Erzeuger war. Es fällt plötzlich eine Familienhälfte vollkommen in ein anderes Licht – alles Lug und Trug. Ich bin mir sicher auch der „Vater“ wusste, dass ich einen anderen Erzeuger als ihn hatte. Es beschäftigt mich sehr stark. Doch es bleibt nichts anderes als zu akzeptieren wie es ist und meinen erwachsenen Kindern zu sagen, dass ihr Opa nicht der „Opa“ war für den sie hielten.
    Meine Kindheit war nicht die Beste und meine Kinder hatten kaum Kontakt zu den Großeltern.
    Irgendwie bin ich doch erleichtert, dass ich einen anderen Erzeuger hatte. Somit habe ich auch nicht die Erbmasse meines angeblichen „Vater´s“ an meine Kinder weiter vererbt.
    Manu

    • Yelka Schmidt schreibt:

      Liebe Manu, ich weiß ganz genau wie sich das anfühlt. Es reißt einen den Boden unter den Füßen weg, man stellt sich so viele Fragen und erhält doch keine Antworten. In Deinem Fall ja noch tragischer, da Deine Eltern verstorben sind. Was mich entsetzt ist die Reaktion Deiner Schwester, denn das ist sie solange nicht das Gegenteil bewiesen wurde und quasi juristisch geklärt wurde. Da zählen die gemeinsame Jahre als Familie mit vielen emotionalen Momenten und Geschwisterliebe wohl nicht viel…Wow. Ich wünsche Dir einfach nur jede Menge Kraft, dass Du Deinen Weg findest damit umzugehen. Hier bist Du auf jeden Fall nicht allein. Liebe Grüße, Yelka

      • Manu schreibt:

        Hallo Yelka,
        lieben Dank für Deine tröstenden Zeilen, ja sie tun mir gut und sind Balsam auf meiner geschundenen Seele.
        Gegen meine (Halb)Schwester habe ich das Argument, dass ich als eheliches Kind ihres Vaters geboren wurde – und somit bin ich voll erbberechtigt – auch wenn er nicht mein Vater sein kann.
        lg, Manu

  3. Angie schreibt:

    Hallo Yelka,

    ich bin Angie und 43 Jahre alt, ich habe deine Geschichte ernsthaft gelesen, und bin sehr berührt.
    Auch ich bin ein Kuckkuckskind und habe es auch erst mit 39 Jahren erfahren also vor 4 Jahren.
    Ich kann dich sehr gut verstehen.

    • Yelka Schmidt schreibt:

      Hallo Angie, vielen Dank für Deine Nachricht. Bist Du denn der Lüge Deiner Mutter nachgegangen oder wie hast Du davon erfahren?
      Liebe Grüße,
      yelka

    • charlotte schreibt:

      liebe angie.. ich hab meine wahre Geschichte auch erst vor drei Jahren erfahren… ich weiss wie man sich fühlt , vielleicht magst du uns deine Geschichte erzählen.. meine Mutter behauptet trotz zwei Vaterschafts test heute noch das Sie die Wahrheit gesagt hat und diese Test falsch sind.. lg charlotte

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