Die biologische Grundlage von Elternschaft und ihre Bedeutung für die Familie – von Dr. Matthias Stiehler


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Dr. Matthias Stiehler – Buchautor von ‚Väterlos‘, ‚Der Männerversteher‘ und ab Mai 2014 ‚Partnerschaft ist einfach – Ein kleines Buch für ein gutes Leben‘ – Foto: privat

Vom Bundesverein „Väteraufbruch für Kinder“ bin ich gebeten worden, mich in meinem Vortrag bei dessen 12. Familienkongress  mit der biologischen Relevanz von Eltern- und insbesondere von Vaterschaft auseinanderzusetzen. Dabei ist mir aufgefallen, dass der ursprünglich vereinbarte Titel: „Biologie als Chance“, nicht wirklich passt. Er impliziert die Vorstellung, als sei die biologische Dimension von Elternschaft ein Aspekt unter mehreren und entsprechend austauschbar. Dem muss jedoch widersprochen werden. Biologie ist vielmehr die Grundlage von Elternschaft. Das ist eine schlichte Tatsache. Und vermutlich gibt es auch wenige, die dem widersprechen würden.

Dagegen bestehen sehr unterschiedliche Anschauungen darüber, was die biologische Grundlage von Elternschaft für die Strukturierung und Ausgestaltung von Elternschaft bedeutet. Ich habe mich daher bei der Ausarbeitung dieses Vortrags für einen anderen Titel entschieden, der mein Anliegen deutlicher macht. Er lautet: „Die biologische Grundlage von Elternschaft und ihre Bedeutung für die Familie“.
Es geht mir also darum aufzuzeigen, welche Auswirkungen die Biologie auf die Elternschaft, also auf Mutterschaft, Vaterschaft und das Erleben der Kinder hat.
Damit begebe ich mich zugegebenermaßen auf ein vermintes Gelände. Es gibt mittlerweile eine solche Vielzahl unterschiedlicher Familienkonstellationen, die längst nicht mehr auf dem Modell „biologische Mutter und biologischer Vater“ beruhen, dass es sich zu verbieten scheint, überhaupt von einer Bedeutung der biologischen Elternschaft zu sprechen. Innerhalb der Genderforschung wird derzeit der Begriff „Biologismus“ regelrecht als Schimpfwort benutzt. Und die Ansicht ist mittlerweile weit verbreitet, dass das biologische Geschlecht der Eltern für die Kindererziehung kaum noch relevant sei. Und doch möchte ich den Versuch unternehmen, der biologischen Grundlage von Elternschaft in seiner Bedeutung für die Gestaltung von Familie nachzugehen.
Dies möchte ich in zwei Punkten tun, die interessanterweise gerade das Thema nicht berühren, an das ich zugegebenermaßen selbst bei der „Biologie von Elternschaft“ als erstes denke: das genetische Erbgut. Ich möchte vielmehr die Beziehungsdimension anschauen, die sich aus der biologischen Grundlage der Elternschaft ergeben.
Die erste biologische Dimension ist die von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt. Und hier stoßen wir auf eine Person, die zunächst kaum angefragt wird: die Mutter.
Dies hat einen ganz praktischen Ausgangspunkt. Zwar lässt sich die Zeugung mittlerweile völlig getrennt von den Eltern im Reagenzglas vollziehen, aber ein vollständiger Ersatz der Mutter in der Schwangerschaft ist nicht möglich und nach heutigem Erkenntnisstand wird es den auch nicht geben. Auch wenn das Einsetzen der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter erst erfolgen muss, wenn schon der Zellteilungsprozess vorangeschritten ist, und auch wenn immer früher geborene Kinder mit Hilfe der modernen Medizintechnik überleben können, gibt es doch einen unaufgebbaren Rest, eine Zeit, in der das Kind in der Mutter heranwachsen muss.
Zudem lässt sich eine Schwangerschaft längst nicht nur als ein physiologischer Ablauf verstehen. Es findet in hohem Maße ein Beziehungsgeschehen zwischen zwischen Mutter und werdendem Kind statt, das Grundlage der seelischen Entwicklung des Kindes ist. In dieser Anfangszeit besteht eine Verbundenheit zwischen Mutter und Kind, die nicht einfach ersetzbar ist. Sicher kann diese Verbundenheit gestört werden, kann beispielsweise eine Mutter ihr Kind als fremd empfinden. Aber dann ist das eine psychische Störung, die erhebliche Auswirkungen auf das Kindeswohl hat.
Eine Mutter fühlt sich dem Kind, dass sie austrägt, verbunden. Das ist eine Tatsache, die uns so selbstverständlich ist, dass wir nach ihr handeln, selbst wenn wir nicht oft darüber nachdenken. Denken Sie beispielsweise an die Vorbehalte gegen Leihmutterschaft.
Bei dem biologischen Vater stellt sich das nicht so selbstverständlich dar. Das hängt zum einen mit der innigen Verbundenheit der durch die Schwangerschaft geprägten Mutter-Kind-Beziehung zusammen. Aber auch mit der Sicherheit, dass dieses Kind wirklich das Kind der Mutter ist. Dies gilt für den Vater in gleicher Weise nicht. Schon immer wurden Kinder durch Väter aufgezogen, die nicht ihre leiblichen waren. Da sie aber annahmen, dass sie der biologische Vater sind, spielte das scheinbar auch keine Rolle. Es wird davon ausgegangen, dass bis zu zehn Prozent der Kinder sogenannte Kuckuckskinder sind.
Nun ließe sich aus dieser Tatsache schließen, dass es zumindest beim Vater eigentlich keine Rolle spielt, ob das Kind das eigene ist oder nicht. Eine verbreitete Argumentation ist dann auch, dass die in unserer heutigen Gesellschaft häufig anzutreffende bewusste Übernahme der sozialen Vaterschaft zeigt, dass es durchaus eine positive Haltung nicht leiblicher Väter gegenüber den Kindern gibt. Gesellschaftlich jedenfalls zeigt sich eine ungleiche Wertschätzung der biologischen Mutterschaft gegenüber der biologischen Vaterschaft. Letztere wird als nicht so wichtig angesehen.
Doch so einfach, wie wir es uns mit dieser Haltung machen, ist es dann doch nicht. Der Psychoanalytiker Frank Dammasch hat in einem beispielhaften Fall aufgezeigt, dass der leibliche Vater selbst dann präsent ist, wenn er nicht anwesend ist und dem Kind sogar verschwiegen wird. Dies resultiert allein schon aus der Tatsache, dass es zwischen der Mutter und ihm eine Beziehung gab, die sich zwangsläufig auf das Kind auswirkt. Dammasch erläutert das am Beispiel einer Frau, die den Vater ihres Sohnes ablehnt, weil dieser Gewalt gegen sie ausgeübt hat. Sie zieht ihren Sohn bewusst ohne Vater auf und verschweigt ihn auch.
Dabei versucht sie in besonderer Weise, den nicht vorhandenen Vater zu ersetzen und eine „perfekte Mutter“ zu sein. Das gelingt ihr notgedrungen jedoch nur bedingt. Der Junge ist vor allem in der Schule verhaltensauffällig und kann sich schwer in die Klasse integrieren. Zugleich erkennt die Mutter im Sohn zunehmend Verhaltensweisen ihres Ex-Partners wieder. Sie schiebt dies auf die Gene. Im therapeutischen Prozess aber wird zunehmend deutlich, dass sich diese Verhaltensweisen zwangsläufig aus der sozialen Interaktion der Mutter mit dem Kind ergeben.
Dammasch schreibt: „Das Vaterbild der Mutter, das sie abspaltet und geheim hält, wirkt unbewusst auf die Interaktionen mit ihrem Sohn ein und formt ihn möglicherweise genauso, wie sie es bewusst nicht möchte.“ Durch das Vaterbild der Mutter ist der Vater präsent und wirkt um so mächtiger, je mehr er verschwiegen wird.
Das Beispiel, das Frank Dammasch ausführt und das ich hier stark gekürzt wiedergebe, ist in seiner extremen Form kein alltägliches Beispiel. Aber es zeigt trotzdem in einer verallgemeinerbaren Weise, dass die leiblichen Väter selbst dann präsent sind, wenn sie nicht anwesend sind. Das Beziehungsgeschehen zwischen der Mutter und dem leiblichen Vater ist auch dann bedeutsam, wenn es geleugnet wird.
Wenn wir es punktgenau formulieren möchten, dann vermittelt sich selbst und gerade dort, wo ein Mann allein als Samenspender genutzt wird, dem Kind ein Bild von seinem Vater, das ihn als notwendiges Übel und im Leben letztlich überflüssig darstellt. Das heißt, selbst dann, wenn die Mutter dem Kind gegenüber nie ein schlechtes Wort über den Vater fallen lässt, ist deren Bild von Männlichkeit abwertend konnotiert. In seiner Sozialisation wird das Kind darauf reagieren. Es kann beispielsweise diese Abwertung in einer Identifikation mit der Mutter übernehmen oder in Abgrenzung gegenüber der Mutter eine frauenentwertende Haltung entwickeln. Die jeweils individuelle Ausprägung hängt sicher von weiteren Faktoren ab. Aber von einer Präsenz des leiblichen Vaters innerhalb der Mutter-Kind-Beziehung müssen wir ausgehen – egal, ob die Mutter alleinerziehend ist, einen anderen Partner oder eine andere Partnerin hat.
Die Bedeutung der Biologie besteht also – und das ist die entscheidende Aussage – nicht allein darin, dass Gene vererbt werden, die die körperliche und in gewisser Weise auch die seelische Entwicklung eines Menschen beeinflussen. Es ist das biologisch fundierte Geschehen von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt, das in seiner Beziehungsdynamik auf das Kind wirkt.
Wenn wir in unserer heutigen Zeit eine Entstrukturierung familialer Lebensweisen feststellen, dann ist das vielleicht nicht zu ändern und ich glaube auch nicht, dass das grundsätzlich schlechter ist als das, was früher familiär gelebt wurde. Aber wenn wir so tun, als sei die leibliche Vaterschaft egal und als hätte die Beziehungsdynamik zwischen biologischer Mutter und biologischem Vater keine Bedeutung, lügen wir uns auf Kosten unserer Kinder in die eigene Tasche. Wir sollten uns nicht vormachen, dass wir dieser Beziehungsdynamik entgehen können.
Dabei möchte ich betonen, dass diese Beziehungsdynamik keinesfalls nur in der Hand der Mutter liegt. Sie bedeutet auch, dass es von Anfang an, also vom Moment der Zeugung eine ebenso große Verantwortung der Väter gibt. Wenn – wie es das Beispiel zeigte – selbst der abwesende Vater in der Familie präsent ist, dann besteht die Verantwortung, möglichst nicht abwesend zu sein. Oder, um ein Beispiel aus der Rechtssprechung der letzten Zeit aufzugreifen: Wenn sich ein Mann als Samenspender hergibt und dann entgegen der ursprünglichen Absprachen auf Unterhalt verklagt wird, zeigt das, dass er in einer Verantwortung für sein biologisches Vatersein steht, die er nicht einfach abschütteln kann.
Mir ist klar, dass die angesprochene Beziehungsdynamik in unserer heutigen Zeit nicht einfach zu handhaben ist. Jede Seite hat zumeist gute Gründe, warum sie gerade der jeweils anderen Seite vorwirft, ihre Verantwortung zu wenig wahrzunehmen. Aber mir geht es jetzt auch nicht um die Klärung des Einzelfalls. Vielmehr möchte ich lediglich und erst einmal wertneutral deutlich machen, dass es eine Verantwortung gibt, die aus der biologischen Grundlage von Elternschaft resultiert und der wir nicht so einfach entgehen können.

Die Vielzahl familialer Lebenswelten führt uns zum zweiten Punkt, der für unser Thema von Bedeutung ist: die Ungleichgewichte in den neuen Familienkonstellationen.
Auch hier möchte ich zur Verdeutlichung dieses Punktes ein Beispiel aus meiner Beratungspraxis anführen:
Eine Frau lebt in zweiter Partnerschaft, aus einer ersten hat sie zwei Kinder mitgebracht. Da ihr neuer Partner ebenfalls einen Sohn aus einer vorherigen Beziehung hatte, bildet sich eine klassische Patchworkfamilie. Ihre beiden Töchter leben Alltag in dieser Familie, sind aber jedes zweite Wochenende bei ihrem leiblichen Vater. Der Sohn des Mannes wiederum ist öfters in dieser Familie, auch wenn er seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter hat.
Das Problem, weswegen die beiden in die Paarberatung kamen, bestand darin, dass sich die Frau zunehmend von ihrer Situation überfordert fühlte. Sie ist in ihrer eigenen psychischen Konstitution eher haltlos und gewinnt ihre Struktur über die Alltagsbeziehungen mit Partner und Kindern. Das heißt, dass ihr das Alltagsleben mit seinen klaren Anforderungen Stabilität gibt.
Ins Wanken gerät diese Stabilität durch Schwierigkeiten, die ihr das größere Kind – ein Mädchen im Alter von 17 Jahren – macht. Diese schwänzt die Schule, kommt mit dem Gesetz in Konflikt und der Schulabschluss steht auf der Kippe. Die Mutter bemüht sich verzweifelt, dass die Tochter wenigstens die 10. Klasse schafft. Aber ihr ist es allein und in ihrer inneren Verfassung kaum möglich, die ausreichenden Bedingungen aufzustellen und notwendige Grenzen zu setzen. Immer wieder ist sie zu nachsichtig. Ihre Befürchtung ist, dass sie ihre Tochter mit Begrenzungen noch mehr ins Unglück stürzt. In der Tiefe aber hat sie Angst, ihre Tochter und damit ihren eigenen Halt zu verlieren, wenn sie zu streng ist.
In dieser Situation fällt der Ursprungsvater aus. Er ist nicht in der Lage, ausgleichend einzugreifen und beispielsweise seine Tochter in dieser kritischen Situation zu sich zu nehmen, um sie damit der haltlosen Mütterlichkeit zu entziehen.
Der jetzige Partner der Frau war schon eher in der Lage, die notwendige Strukturierung und Begrenzung der Tochter seiner Partnerin vorzunehmen. Die Mutter fordert ihn auch immer wieder auf, sie zu unterstützen und dem Kind zu helfen. Da er sich schon im Alltag der problematischen Situation nicht entziehen kann, bringt er sich auch zunehmend ein. Jedoch liegt das Problem nun darin, dass die Frau weiterhin zu sehr an ihrer Tochter festhält. Wenn ihr Partner das anfragt, wird sie sofort widerständig gegen seine Äußerungen und sein Verhalten. So sehr sich die Mutter also Unterstützung wünscht, entzieht sie dem Partner sofort das Mandat, sobald sie selbst an ihre Grenzen kommt. Ihr nicht zu widerlegendes Argument ist: „Ich trage doch die Verantwortung und muss also letztlich entscheiden, was für das Kind richtig ist.“

Die Problematik, auf die ich mit diesem Beispiel aufmerksam machen möchte, liegt nicht in den Schwierigkeiten der Mutter bei der Kindererziehung. Das ist eine Tatsache, mit der sich viele Eltern auseinandersetzen müssen – egal, ob sie die leiblichen sind oder die soziale Elternschaft übernommen haben. Die Problematik liegt in der strukturellen Macht dieser Mutter gegenüber ihrem Partner. Sie wünscht sich seine Hilfe. Aber zugleich entscheidet sie, was richtig und was falsch ist. Das ist die zentrale Problematik sozialer Elternschaft.

Eine Patchworkfamilie kann sehr gut funktionieren. Nämlich dann, wenn sich leiblicher und sozialer Elternteil einig sind.
Übrigens formuliere ich es deswegen so geschlechtsneutral, weil hier die Rolle des biologischen Vaters durchaus kongruent mit der der biologischen Mutter ist. Allerdings gibt es, wie wir wissen, deutlich mehr alleinerziehende Mütter und deutlich häufiger die Übernahme sozialer Elternschaft durch Männer.
Eine Patchworkfamilie kann also sehr gut funktionieren, wenn sich leiblicher und sozialer Elternteil einig sind. Aber ob diese Einigkeit besteht, legt das Elternteil fest, das das Sorgerecht hat, also das leibliche.
Das hat natürlich seine Richtigkeit, denn wie soll es sonst sinnvoll geregelt werden? Die biologische Verbundenheit ist das einzige Merkmal, das einigermaßen Rechtssicherheit schafft. Stellen Sie sich vor, was es für einen Auswuchs an Streitigkeiten gäbe, wenn die Übernahme sozialer Elternschaft automatisch zu einer Zuerkennung des Sorgerechts führen würde. Eine erneute Trennung der Partner müsste zu noch größerer Konfusion führen, als es heute bereits der Fall ist. Die Biologie müssen wir hier nicht nur als Chance, sondern als Notwendigkeit begreifen.
In der Konsequenz führt das dann aber zu einem innerfamiliären Ungleichgewicht. Die leibliche Mutter oder der leibliche Vater können das Mandat zur Kindererziehung dem Partner oder der Partnerin erteilen und wieder entziehen. Die in der Elternschaft notwendige gegenseitige Korrektur, das Leben der unterschiedlichen Prinzipien, die ich in meinem Buch „Väterlos“ als „Mütterlichkeit“ und „Väterlichkeit“ beschrieben habe und die eine Mutter oder einen Vater allein auf Dauer überfordern, kann schnell zu Machtkämpfen führen.

Selbstverständlich muss das nicht sein. Die Einigkeit zwischen beiden Partnern kann groß sein. Aber selbst wenn dem so ist, kommt es in einer Partnerschaft immer auch zu Problemen, ist eine gemeinsame Kindererziehung selbst bei großer Liebe nie ganz spannungsfrei. Und hier wäre eine gleichberechtigte Stellung von Mutter und Vater von großer Bedeutung. Und die lässt sich im Grunde nur durch die biologische Verbundenheit zum gemeinsamen Kind herstellen.
Auch hier spreche ich also nicht vom genetischen Erbe, sondern von einer Beziehungsgestaltung, die von der Biologie her ihre Struktur gewinnt. Und nur von ihr her ist eine Gleichberechtigung der Eltern in letzter Konsequenz, also auch im Konfliktfall möglich. Soziale Elternschaft wird gegenüber der leiblichen Elternschaft immer strukturell unterlegen bleiben.
Einzige Ausnahme bleibt die Adoption, die die soziale Elternschaft in den rechtlichen Stand der leiblichen Elternschaft versetzt. Hier wird durch einen Rechtsakt die Differenz ausgeglichen. Damit bestätigt die Adoption jedoch letztlich die ursprüngliche Ungleichheit. Daneben lässt sich aber auch durch eine Adoption die ursprüngliche und auch durch sie selbst entfachte Beziehungsdynamik nicht auslöschen. Nicht umsonst ist es für Kinder, die erfahren, dass sie adoptiert wurden, wichtig, wer die leiblichen Eltern sind, warum sie von ihnen weggegeben wurden und was sie von ihnen vielleicht an genetischen oder frühen sozialen Einflüssen haben.

Als Fazit lässt sich formulieren, dass der Einfluss, den die Biologie der Elternschaft auf das Kind und seine Entwicklung hat, mehr ist, als die Weitergabe der Gene. Sicher spielen auch diese eine wichtige Rolle und sind die natürliche Grundlage von Zeugung. Aber für die Struktur der entstehenden Familie spielt die aus dem biologischen Zeugungsgeschehen resultierende Beziehungsdynamik eine wesentliche Rolle. Die leibliche Mutter, der leibliche Vater sind Personen, die nicht nur ihr Erbgut an das Kind weitergeben, sondern mit der Zeugung eine Verantwortung übernehmen, die eben nicht beliebig austauschbar ist.
Das bedeutet nicht, dass eine Familie nur noch aus den biologischen Eltern bestehen muss. Solch eine Forderung wäre in unserer heutigen Zeit unrealistisch. Aber die besondere Verantwortung, in der die leiblichen Eltern stehen, muss bei aller Vielfalt familialer Lebensgestaltungen immer mitbedacht werden. Die leibliche Elternschaft ist in unserer heutigen Zeit manchmal die einzige feste Größe für die Kinder. Es ist von großer Wichtigkeit, dass diese Halt gebende Funktion anerkannt und gelebt wird. Das bedeutet, dass die Verantwortung der leiblichen Elternschaft aktiv angenommen wird. Verantwortung heißt in diesem Fall, dass es beide Eltern betrifft und dass diese elterliche Beziehung auch im Blick bleibt.
Mir ist klar, dass dies bei einer Vielzahl von Trennungen der Eltern nicht funktioniert, dass Mütter und Väter gegeneinander arbeiten und dabei auch das Kind für ihre Zwecke ausnutzen. Doch gerade die biologische Grundlegung von Elternschaft macht deutlich, dass dies immer ein Vergehen am Kind ist. Insofern möchte ich meinen Vortrag als ein Plädoyer für die Rechte der Kinder verstehen. Es stimmt, was der Väteraufbruch sagt: Ein Kind braucht Mutter und Vater. Doch das ist vor allem als Aufforderung an uns Erwachsene zu sehen. Es ist weniger ein Recht als mehr eine Pflicht.

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Foto von Dr. Matthias Stiehler

Dr. Matthias Stiehler – Buchautor von ‚Väterlos‘ und ‚Der Männerversteher‘ – Foto: privat

Dr. Matthias Stiehler
Diplomtheologe, Erziehungswissenschaftler

Psychologischer Berater im Gesundheitsamt Dresden, Leiter der dortigen Beratungsstelle für AIDS und sexuell übertragbare Infektionen

Vorsitzender des Dresdner Instituts für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft e.V.

Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V.

Mitherausgeber des Ersten und Zweiten Deutschen Männergesundheitsberichts

Autor von „Der Männerversteher. Die neuen Leiden des starken Geschlechts“ (Verlag C. H. Beck München 2010), „Väterlos. Eine Gesellschaft in der Krise“ (Gütersloher Verlagshaus 2012) und ab Mai 2014 „Partnerschaft ist einfach – Ein kleines Buch für ein gutes Leben“ (Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat).

www.matthias-stiehler.de

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Serien-Titel AIDS & Co.

AIDS & Co.

Dr. Matthias Stiehler verfasste auch die Serie: „AIDS & Co.“ hier im Kuckucksvaterblog

Über Max Kuckucksvater

Seit Anfang 2011 weiß ich nun, dass mein Sohn aus erster Ehe nicht mein leiblicher Sohn ist. Da ich weder im Netz, noch irgendwoanders Hilfe fand, gründete ich dieses Blog. Dieses Blog verbindet Kuckuckskinder, Scheinväter, Väter und Kuckucksmütter untereinander, stellt Hilfsthemen bereit. Zusätzlich klärt es die Öffentlichkeit über den stattfindenden Identitätsraub und Betrug auf, damit wir in Zukunft dieses Leid verhindern können. Der obligatorische Vaterschaftstest ab Geburt (OVAG) ist das einzige Mittel, welches das Kind sicher vor der Fälschung seiner Identität bewahren kann. Seither entstanden sehr viele Kontakte und Freundschaften zu Scheinvätern, Kuckuckskindern und anderen Betroffenen sowie Unterstützern. Der Austausch mit ihnen half mir dabei, meine Trauer zu verarbeiten. Und: Ja, ich lebe tatsächlich in Kolumbien. Inzwischen sind meine Frau und ich stolze Eltern einer Tochter. https://www.facebook.com/max.kuckucksvater
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