Jesus war kein Kuckuckskind – von Alfred Mignon


Einer von uns, aber ...

Jesus war kein Kuckuckskind

Einer von uns – aber … Jesus war kein Kuckuckskind

Es gibt viele Anlässe, sich über die Herkunft des sogenannten Religionsstifters Jesus Gedanken zu machen. Für mich ist es das Fest der Erscheinung des Herrn, das am 6. Januar, zwei Wochen nach Weihnachten, gefeiert wird. Bei dieser Gelegenheit will ich ein paar Anregungen weiter geben, die sich mit der Thematik des Kuckucksvaterblog beschäftigen.

Menschliche Kuckuckskinder werden nicht von ihren leiblichen Vätern aufgezogen. Diese erste Voraussetzung erfüllt der biblische Jesus aus Nazaret. Um jemanden als Kuckuckskind bezeichnen zu können, muss dessen Situation aber noch einem weiteren Kriterium entsprechen: Zumindest einer der Betroffenen, also der Familienvater oder das Kind selbst muss über die wahre Abstammung im Unklaren gelassen worden sein.

Das wird aber in der biblischen Geburtsgeschichte von Anfang an anders wiedergegeben. Josef ben Jakob ist sich seiner Rolle als Ziehvater von Jesus, nach der Stammbaumversion des Evangelisten Matthäus, von Anfang an bewusst. Das könnte man nun als einen Vorzug der strengen Regel »kein Sex vor der Ehe« bezeichnen. Weil Josef, so Matthäus, nicht mit Maria geschlafen hat bis Jesus geboren worden war, konnte kein Zweifel daran sein: Die Schwangerschaft der jungen Frau ist nicht durch Mitwirkung des offiziellen Verlobten entstanden. Nun war Josef nicht nur ein sehr streng gläubiger Mann, sondern auch ein sehr liebevoller. Er wollte seine Maria nicht öffentlich bloßstellen. Maria drohte nämlich dann die Steinigung und Josef hätte die Hinrichtung eröffnen, traditionell den ersten Stein werfen sollen. Der vermeintlich Gehörnte beschloss deshalb, die Schwangere ohne Erklärung zu verlassen und sich auf diese Weise als Rabenvater darzustellen. Der geflüchtete Josef hätte somit als einer gegolten, der seiner Verantwortung davonläuft, der die zukünftige Frau und sein werdendes Kind im Stich lässt.

In diese noblen Überlegungen hinein, die Schuld auf sich zu nehmen, hat der wahrhaftig Fromme eine nächtliche Erscheinung. Er träumt eine göttliche Botschaft. Die ist für ihn klar und eindeutig verständlich: Er wird über die himmlische Herkunft der Schwangerschaft seiner Verlobten unterrichtet. Die ihm zugedachte Rolle als Pflegevater nimmt Josef an. Er bleibt bei Maria, erkennt damit den Jungen rechtlich als seinen an und zieht mit seiner Frau Jesus als ältesten von mehreren Brüdern und Schwestern groß. Die auch in der Antike juristisch abgesicherte Adoption wirkt sich im biblischen Erzählzusammenhang auch auf den Stammbaum des Kindes aus. Beim Evangelisten Matthäus wird Josef als Vater von Jesus genannt. Dieser stellt die Herkunft des künftigen Messias aus dem königlichen Haus David sicher.

Zurück zu den Bedingungen von Kuckuckskindschaft: Auch Jesus, das Kind, ist sich über seine Abstammung im Klaren. Vom sogenannten Kindheitsevangelium an bezeichnet Jesus Gott als seinen Vater. Gerade von dieser Textstelle bei Lukas ausgehend, wo sozusagen die Bar Mizwa des zwölfjährigen Jesus angedeutet wird, kann man durchaus von einer Konkurrenz des himmlischen mit dem irdischen Vater sprechen. Jesus wird da auf der Rückreise von der jährlichen Pilgerfahrt nach Jerusalem von seinen Eltern vermisst und erst nach drei Tagen im Kreis von theologischen Gelehrten im Tempelbereich wieder aufgespürt. Die Vorhaltungen seiner Mutter, sie hätte sich zusammen mit dem Vater schmerzlich große Sorgen um ihn gemacht, wehrt Jesus mit dem Hinweis auf Gott ab. In dessen Haus kann er doch nicht verloren gehen. In dieser, für seine Eltern zu diesem Zeitpunkt unverständlichen Aus-Rede steht Vater gegen Vater.

Von den hier nacherzählten Fakten lässt sich natürlich nur ein Publikum zur Bestätigung der Überschrifts-These bewegen, das die Bibel als Gesprächsgrundlage anzunehmen bereit ist. Nun ist jedoch die Heilige Schrift der Christen kein homogenes, von der Hand eines Autors oder einer einheitlichen Redaktion gestaltetes Schriftstück. Es handelt sich viel eher um eine Bibliothek, eine Sammlung von Büchern und Schriften sehr unterschiedlicher Herkunft und Anschauung. So gibt es gerade in der Frage der göttlichen Abstammung des Jesus in der frühen Christenheit auch die adoptianische Auffassung. Danach hat nicht Josef das vom göttlichen Geist gezeugte Kind angenommen, sondern Gott hat den menschlich natürlich empfangenen Jesus adoptiert und so vollgültig den Menschensohn zum Gottessohn gemacht. Von diesem anderen, weniger beachteten Modell finden sich im biblischen Kontext durchaus literarische Spuren. Als die Deutlichste nenne ich die Adoptionsformel bei der Taufe des Nazareners durch Johannes am Jordan. Bei diesem Ereignis wird Jesus von der himmlischen Stimme als der geliebte Sohn, an dem Gott Gefallen gefunden hat, proklamiert.

Historisch ist die Existenz von Jesus anerkannt. Selbstverständlich gibt es aber viele Zeitgenossen, die den ihn beschreibenden Bibeltexten kein besonderes Vertrauen entgegenbringen. Mit allem Respekt vor den Ansichten dieser Menschen kann ich abschließend zusammenfassen: Auf Jesus trifft die Bezeichnung Kuckuckskind nicht zu.

Zum Nachlesen (zum Beispiel auf bibleserver.com): Stammbaum, Geburt: Matthäus 1; Kindheit: Lukas 2,41ff; Taufe: Matthäus 3,13ff.

 

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Farbfoto

Alfred Mignon Foto: privat

Alfred Mignon (63) ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und lebt derzeit zwischen manchen Stühlen. Offiziell im Ruhestand (i.R.), aber durchaus in Reichweite, schreibt er für Zeitungen, Zeitschriften, für’s Radio und das Internet und trägt vor (Biblische Balladen zum Beispiel), was er geschrieben hat.

Über Max Kuckucksvater

Seit Anfang 2011 weiß ich nun, dass mein Sohn aus erster Ehe nicht mein leiblicher Sohn ist. Da ich weder im Netz, noch irgendwoanders Hilfe fand, gründete ich dieses Blog. Dieses Blog verbindet Kuckuckskinder, Scheinväter, Väter und Kuckucksmütter untereinander, stellt Hilfsthemen bereit. Zusätzlich klärt es die Öffentlichkeit über den stattfindenden Identitätsraub und Betrug auf, damit wir in Zukunft dieses Leid verhindern können. Der obligatorische Vaterschaftstest ab Geburt (OVAG) ist das einzige Mittel, welches das Kind sicher vor der Fälschung seiner Identität bewahren kann. Seither entstanden sehr viele Kontakte und Freundschaften zu Scheinvätern, Kuckuckskindern und anderen Betroffenen sowie Unterstützern. Der Austausch mit ihnen half mir dabei, meine Trauer zu verarbeiten. Und: Ja, ich lebe tatsächlich in Kolumbien. Inzwischen sind meine Frau und ich stolze Eltern einer Tochter. https://www.facebook.com/max.kuckucksvater
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4 Antworten zu Jesus war kein Kuckuckskind – von Alfred Mignon

  1. Marcus Spicker schreibt:

    Hallo Nestferkel,

    was hat dich zu der Annahme gebracht, dass du ein Kuckuckskind sein könntest? Und wie wirst du weiter vorgehen? Hast du dir schon mal die Blutgruppen der beteiligten Personen angesehen und dadurch etwas einkreisen bzw. ausschließen können? Oder wirst du darum bitten einen Vaterschaftstest machen zu dürfen?

    • Nestferkel schreibt:

      Hallo Marcus,
      wie ich schon schrieb, ist meine Erkenntnis für mich vor allem eine Befreiung. Ein Klarstellungszwang würde mich nur wieder selbst gefangen nehmen. Ich habe von einem Genchip gelesen, der Inzest aus dem eigenen Erbmaterial ablesen kann, und könnte sicher auch eins meiner Geschwister zu einen Genvergleich gewinnen. Das Thema wäre unter diesem Artikel jedoch fehlplaziert. Ich bevorzuge im Moment die Beweislastumkehr. Dass in der Geburtsurkunde die leibliche Mutter steht, ist ja ziemlich glaubwürdig, aber bis heute besteht kein Standesbeamter von sich aus auf einen Gentest für die Vaterschaftsangabe. Da kann sonst wer Vater sein, solange er sich nicht dagegen wehrt. Wenn meine „Eltern?“ was von mir wollen, können sie, wie es jeder andere auch machen würde, mal freundlich anfragen. Ich brauche sie nicht und bin ihnen auch zu nicht mehr verpflichtet, als das Gesetz vorschreibt. Wenn das manch andere „Kind“ ebenso handhaben würde, wüssten hier auch wieder einige mehr, was Selbstverwirklichung eigentlich bedeutet, und Kinder würden nicht deshalb in die Welt gesetzt, um es ihren „Eltern?“ bequem zu machen. Seinen Eltern Hilfe zu leisten, ist das Eine. Sich dazu genötigt zu fühlen, was anderes.
      Man sollte sich den Generationenvertrag hin und wieder mal genauer ansehen, um den Rest seiner Freiheit wiederentdecken zu können. Meines Erachtens haben wir alle gerade in den christlich geprägten Gesellschaften ein riesen „Brett vorm Kopp“. Auf der uns zugewandten Seite steht „Jesus liebt dich“ und auf der Rückseite die Gebrauchsanleitung, wie man Menschen, einschließlich der eigenen Kinder, entwürdigt, versklavt, ihre Nächstenliebe missbraucht, und zudem schuldig und gefügig macht, indem man ihre Schwächen gegen sie einsetzt. Nun rate mal, wer uns, von unseren eigenen Eltern mal abgesehen, dieses Brett hin hält!
      Die Erkenntnis, ein Kuckuckskind zu sein, beruht zum einen auf der innerfamiliären Tabuisierung von Verwandschaftsverhältnissen. Von klein auf hab ich einen Überblick über meine Verwandschaft eher dadurch erhalten, dass mich Fremde darauf angesprochen haben. Von sich aus haben meine Eltern kaum etwas erzählt. Selbst auf meine Neugier hin nicht. Und so tauchten halt ab und an „neue“ Verwandte auf. Das lag bestimmt auch daran, dass mein ansonsten liebenswürdiger Großvater mütterlicherseits, ebenso ein echter Schwerenöter war und damit so manches ungerechtfertigte Schamgefühl und Zerwürfnis hinterlassen hat. Zum anderen: Es ist auch nie vorgekommen, dass einer meiner Eltern mir gegenüber mal einen Fehler oder Irrtum eingestanden hat. Wenn ich etwas kritisch ansprach, hab ich allenfalls errötete Gesichter oder trotziges Schweigen geerntet. Nachdenklich machte mich immer etwas, dass mich meine katholische Mutter nur knapp 6 Monate nach Eheschließung geboren hat und mich selbst nie taufen ließ. Die Ehe meiner Eltern wurde meines Erachtens „eingefädelt“, weil meine Mutter, um ihren Ruf zu retten, einen Vater für mich brauchte und sie für meinen gesetzlichen Vater seinerzeit eine „Gute Partie“ war. Zärtlichkeiten haben sie vor mir nie ausgetauscht.
      Rein äußerlich zeigen meine Geschwister sehr väterliche Gene, ich dagegen nicht. Außerdem hab ich als Kind oft die Backpfeifen für den Scheiß meiner Geschwister kassiert. Echt nützliche Ratschläge für das Leben hab ich von meinen Eltern dagegen nie erhalten, wurde nie über die Kehrseite der Ehe aufgeklärt, die sie selbst erfahren haben, wurde nie dazu angehalten, auf mich selbst besser aufzupassen und mich vor der eigenen und der Gier anderer zu schützen. Sie hätten mich jeden Blödsinn bis zu Ende machen lassen. Wie bei manch anderem Kind beschränkte sich die Wissensvermittlung meiner Eltern auf „Mann sein“, Dienen und „Ja“ sagen. Zum Arbeiten, „Feuer löschen“, Sorgen und Frust abladen war ich auch immer gut genug. Letztes Jahr war dann das Maß voll, als ich zweimal innerhalb weniger Tage mal wieder ihre „Notlagen“ aus dem Kaffeesatz lesen sollte. Denn um mich anzurufen, waren sie zu stolz, obwohl ich sie schon mehrmals darauf hingewiesen habe.
      Nichts neues also, nur war ich vielleicht bisher auf dem verkehrten Auge blind, um zu erkennen, dass man mir für so manchen unerfüllten Traum vom Leben die Schuld gibt.

  2. Nestferkel schreibt:

    Hallo, ich bin neu hier und hab noch nicht viele der Veröffentlichungen und Kommentare gelesen. Das Thema interessiert mich, weil ich mit nunmehr bald 50 Lebensjahren ernsthaft die Möglichkeit in Betracht ziehe, selbst ein Kuckuckskind zu sein. Das würde zumindest einige, jeher bestehende, emotionale und kommunikative Defizite zwischen mir und meinen gesetzlichen Eltern erklären. Ein „Geständnis“ ist derzeit nicht zu erwarten. Insgesamt wirkt sich die Erkenntnis für mich eher befreiend aus, habe ich doch dabei auch gelernt, zu meinen Eltern einen für mich gesunden Abstand herzustellen und ihnen nicht mehr verpflichtet zu sein.
    Was ich bei aller Recherche bisher vermisse und deshalb als Tabu ausgemacht habe, ist die Annahme, dass der biologische Vater auch der Großvater mütterlicherseits sein könnte. Für mich persönlich schließe ich das zumindest nicht mehr aus. Ich halte es sogar für sehr naheliegend, war der Vater meiner Mutter doch in vielerlei Hinsicht mehr Vater für mich, als mein gesetzlicher Vater.
    Sicher ein sehr heikles Thema, aber neigen wir nicht gerade deshalb dazu, Tabus heilig zu sprechen?!

  3. Pingback: Nach der Weihnachtszeit – die Heilige Patchworkfamilie | elfstricheins

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